Hintergrund

Ältere Migrantinnen und Migranten in Deutschland

Die Zahl der über 65-jährigen Menschen mit Migrationshintergrund betrug 2010 etwa 1,48 Millionen Personen und wird bis 2030 nach Schätzungen auf 2,8 Millionen anwachsen.

Russischsprachige Migranten stellen mit über 500.000 unter allen über 65-jährigen Migranten die mit Abstand größte Gruppe. Damit liegen sie noch vor älteren türkischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Zu den russischsprachigen Migrantinnen und Migranten  zählen Spätaussiedler, jüdische Kontingentflüchtlinge und Familienangehörige, die aus den Ländern der früheren Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind. Sie sind häufig im Familienverbund zugewandert, so dass ein im Vergleich zu anderen Migrantengruppen großer Teil zum Zeitpunkt der Zuwanderung bereits im fortgeschrittenen (Renten-) Alter war und nicht mehr in den deutschen Arbeitsmarkt integriert wurde. Viele der Älteren sprechen daher kaum oder nur wenig Deutsch.

Zugang älterer Migranten zu Pflege- und Unterstützungsangeboten

Die Erfahrung zeigt, dass der Zugang älterer Migranten und deren Angehörigen zu den vorhandenen Versorgungs- und Unterstützungsstrukturen im Falle von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit vielfach noch unzureichend ist.

Auch der Neunte Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland kommt zu dem Schluss, dass „die gleiche Teilhabe älterer Migrantinnen und Migranten an der pflegerischen Versorgung noch nicht erreicht“ ist. Einer gleichberechtigten Inanspruchnahme von Pflegeleistungen stünden nach Einschätzung der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung „noch Sprach- und Verständigungsbarrieren, fehlende Informationen oder Bekanntheit sowie Unübersichtlichkeit der Angebote und Leistungen und die Angst vor einer nicht kultur- und religionssensiblen pflegerischen Versorgung“ im Wege.

Ältere Migranten und Demenz

Besonders problematisch stellt sich die Versorgung von Migrantinnen und Migranten mit einer Demenzerkrankung dar. Ihre besondere Situation und ihre speziellen Bedürfnisse werden bislang noch nicht angemessen in der Demenzforschung und der Demenzversorgung berücksichtigt.

Moderne nicht-medikamentöse Versorgungskonzepte nehmen Bezug auf die jeweilige soziale und materielle Umwelt, auf die individuelle Lebensgeschichte und auf kulturelle Praktiken des Demenzkranken, um dessen verbleibende Ressourcen und Kompetenzen zu mobilisieren und zu stärken.

Bei demenzkranken Migrantinnen und Migranten kann die Therapie dabei in aller Regel nur (noch) in der Muttersprache erfolgen, da erlernte Fremdsprachenkenntnisse krankheitsbedingt schnell verloren gehen.

Nach wie vor fehlen in Deutschland jedoch geeignete kultursensible und muttersprachliche Therapie-, Wohn- und Versorgungskonzepte, die auf die Bedürfnisse demenzkranker Zuwanderer zugeschnitten sind. In der Folge sind die Familien häufig mit der Versorgung und Betreuung ihrer Angehörigen allein gelassen und besonders belastet.

Das Wissen über die Erkrankung, über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und über Beratungs- und Entlastungsangebote ist in den Familien häufig noch kaum verbreitet. Auch aus Angst oder Misstrauen, deren Ursprünge auf früheren Erfahrungen in den alten Heimatländern oder auch mit deutschen Institutionen beruhen, werden vorhandene Angebote und Einrichtungen der hiesigen Träger erst gar nicht geprüft oder in Anspruch genommen.

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Breite Allianz für das Thema Demenz

Das Thema Demenz erfährt gegenwärtig in der Politik große Aufmerksamkeit. So hat die aus Anlass des Welt-Alzheimer-Tages am 21. September 2012 gestartete „Allianz für Menschen mit Demenz“ zum Ziel, „Hilfe und Unterstützung für Betroffene sowie das Verständnis und die Sensibilität für Demenzerkrankungen zu fördern, um gesellschaftlicher Ausgrenzung entgegenzuwirken“. In „lokalen Allianzen“ sollen Hilfenetzwerke im Lebensumfeld Betroffener entstehen, die mehr soziale Teilhabe und Hilfestellung ermöglichen.

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz sind 2012 zudem verschiedene Verbesserungen für demenziell erkrankte Menschen und ihre Angehörigen beschlossen worden. Dazu gehören höhere finanzielle Leistungen in der ambulanten Pflege, Leistungen für häusliche Betreuung, mehr Unterstützung für pflegende Angehörige, Verbesserungen der Beratung und Begutachtung sowie die Förderung von alternativen Wohnformen für Demenzkranke im Übergangsbereich zwischen häuslicher und stationärer Versorgung.

Damit eröffnet der Gesetzgeber denjenigen, die zwar nicht mehr alleine ihren Haushalt führen können, aber auch nicht in ein Pflegeheim ziehen möchten, gezielte Möglichkeiten einer individuelleren und bedarfsgerechten Versorgung. Insbesondere demenziell erkrankte Migrantinnen und Migranten könnten bei einer zielgruppenorientierten und kultursensiblen Ausrichtung solcher Wohnkonzepte in erheblichem Maße profitieren.

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Transfer in die Migrantenbevölkerung

Für einen gelungenen Transfer der bestehenden und zukünftigen Maßnahmen für Demenzkranke in die Migrantenbevölkerung ist die aktive Einbeziehung der älteren Menschen mit Migrationshintergrund und ihrer Angehörigen unabdingbar. Migrantenselbstorganisationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie können gemeinsam mit Akteuren der kommunalen Altenhilfe die zielgruppenorientierte Ausgestaltung konkreter Angebote für demenzkranke Migranten (z.B. Beratung, Wohnkonzepte, ambulante und stationäre Pflege, niedrigschwellige Betreuung) entwickeln und diese wenn möglich selbst übernehmen. Für diese Aufgaben müssen sie jedoch befähigt und intensiv qualifiziert werden.